Maschinen haben keine Visionen

  • Scribble-Bild

Von unserer Daten-Sammelwut profitieren

Wir leben in einer digitalen Welt, dessen Systeme immer intelligenter werden. Sie können mit uns sprechen, sie verstehen Dinge im Kontext und sie lernen dazu. Aber: Künstliche Intelligenz werde die menschliche nicht ersetzen, sagt Innovations- und Trendexpertin Karin Vey.

Sammelten die Menschen einst Beeren, Wurzeln und ähnliches, sind es heute Daten. Und das in riesigen Mengen. Alle zwei Jahre verdoppelt sich unser digitales Universum. 2025 haben wir 165 Zettabytes Daten gesammelt. Das sagt Karin Vey, Innovations- und Trendexpertin im ThinkLab der IBM Forschung in ihrem Vortrag «Wie künstliche Intelligenz sich auf unser Leben auswirkt» am Frauennetz-Anlass im Innovationzentrum Startfeld, St.Gallen. Eine Zahl, die wir uns vor lauter Nullen gar nicht vorstellen können. Als Vergleich baut Karin Vey gedanklich mit IPads, jedes mit einer Speicherkapazität von 32 Gigabyte, die chinesische Mauer nach. 8800 Kilometer lang, aber 200 Mal so hoch. Zwei Jahre später ist diese wegen unserer Sammelwut bereits auf das Doppelte angewachsen. Eine gigantische Mauer aus Big Data.

Daten sinnvoll nutzen

Was aber tun wir mit all den Daten? Wir wollen sie sinnvoll für gute Problemlösungen nutzen. Das Problem ist: 80 % dieser Daten sind unstrukturiert. Bis 2020 werde ihr Anteil gar auf 93 % steigen, sagt Karin Vey. Unstrukturierte Daten sind Texte, Bilder, Videos – also all das, was wir täglich ins Internet stellen. Strukturiert sind jene Daten, die jemand in eine Datenbank eingepflegt hat. Und es gibt noch ein Problem. Traditionelle Computer können mit unstrukturierten Daten schlecht umgehen. Nur, wenn wir sie nicht nutzen, könnte uns etwas Wichtiges entgehen. Also entwickelten Informatiker, Systeme, die das können – die Künstliche Intelligenz (KI). Mehr über die Geschichte der Künstlichen Intelligenz erfährst du hier.

Porträt Karin Vey

Karin Vey

Was verstehen wir unter Künstlicher Intelligenz (KI)? KI-Systeme sind Systeme, die:
• sich mit uns unterhalten
• den Kontext verstehen
• dazu lernen
Anders als früher unterhalten sich heute etwa digitale Helfer wie Siri und Alexa in einer natürlichen Sprache mit uns. KI-Systeme passen sich uns an. Sie interpretieren zum Beispiel das Wort «Golf» aufgrund des Kontextes entweder als Sport, als Auto oder als Flussmündung. Zu Beginn seien KI-Systeme dumm, aber sie lernten dazu und könnten Annahmen bilden, sagt Karin Vey.

«Menschen sind mehr als ein System. Sie denken nicht in Statistiken»

Mensch gegen Maschine

2011 schrieb der Supercomputer Watson von IBM Geschichte. Er trat in der amerikanischen Quizsendung «Jeopardy» gegen die bisherigen besten beiden Spieler an – und gewann. Das aussergewöhnliche an Watsons Leistung war, dass der Computer sozusagen um die «Ecke» denken konnte. Um bei Jeopardy die Fragen richtig zu beantworten, muss man nicht nur schnell sein, sondern auch Wortspiele und Rätsel lösen können. Wie Watson seine Aufgabe gelöst hat, erfährst du hier. Der Auftritt bei Jeopardy war das zweite grosse Duell Mensch und Maschine, aus dem die Künstliche Intelligenz als Siegerin ging. 1996 schlug der Supercomputer Deep Blue, ebenfalls von IBM, den damaligen Schachweltmeister Garri Kasparov.

Supercomputer in 50 Programme zerlegt

Die eigentliche Arbeit für Watson begann aber erst nach der Quizshow mit der Frage, wie seine Leistung allen zugänglich gemacht werden konnte. Er wurde schlicht zerlegt. Über 50 verschiedene KI-Programme stehen heute in Service Clouds zur Verfügung. Sie werden in vielen Bereichen eingesetzt. So auch im Gesundheitswesen. «Hier versprechen wir uns den höchsten Nutzen. KI-Systeme können Ärzte unterstützen», sagt Karin Vey. Wie alle Daten nimmt auch das medizinische Fachwissen exponentiell zu. Bis 2020 wird sich das medizinische Wissen, so die Annahme, alle 73 Tage verdoppeln.

«Letztlich entscheidet immer der Arzt. Der Mensch hat noch immer die Überhand»

Wieder liefert Karin Vey einen anschaulichen Vergleich. Um sich beim Thema Diabetes auf den neuesten Stand zu bringen, müsste ein Arzt 25 Stunden pro Tag lesen. Ein weiterer Faktor ist, dass Ärzte immer weniger Zeit haben, sich auf den nächsten Patienten vorzubereiten. KI-Systeme unterstützen sie, indem sie Informationen beurteilen, bündeln und sie im Wissensuniversum abgleichen. Sie verbinden alles miteinander und verarbeiten die Informationen automatisch. Entscheidend für den Output ist aber, wie gut das System trainiert wurde und auf welche Quellen es sich bezieht. Umso wichtiger sei, dass es Ärzte seien, welche die Systeme trainierten. Zudem müssten die Systeme transparent sein. Weltweit würden heute 50 Spitäler mit KI-Systemen arbeiten. «Letztlich entscheidet aber immer die Expertise des Arztes. Der Mensch hat immer noch die Überhand», sagt Karin Vey.

Kreative Computerprogramme

Kreativität ist eine Eigenschaft, die den Menschen von der Maschine unterscheidet. Forscher haben aber bereits kreative digitale Assistenzen entwickeln. Ein Beispiel ist Chef Watson. Hier kocht ein KI-System. Aber auch als Künstler betätigen sich Computerprogramme neuerdings. Ein KI-System von Microsoft-Forschern entwickelt malt Bilder aufgrund beschreibender Texte. Mit einem verblüffenden Ergebnis zumindest bei realistischen Beschreibungen. Bei Fantasie-Beschreibungen hingegen hapert es noch.

«KI-Systeme können gut rechnen. Sie haben aber keine Visionen»

Ersetzt die künstliche Intelligenz also bald die menschliche? Nein, sagt Karin Vey. In den Anfängen in den 1960er Jahren glaubte die Wissenschaft dies zwar, heute stehe aber die Partnerschaft zwischen Mensch und Maschine im Vordergrund. «Menschen sind mehr als ein System, sie denken nicht in Statistiken», sagt Karin Vey. Was uns unterscheidet ist unsere Empathie, unsere Fähigkeit über einen Bereich hinaus zu denken, aber auch unsere Kreativität und Spielfreude. Wir nehmen unsere Welt mit allen Sinnen wahr. «KI-Systeme können gut rechnen. Sie können für uns die Ausnahmen managen. Sie haben aber keine Visionen. Wir denken uns die Welt, in der wir leben möchten. KI-System unterstützen uns, diese zu verwirklichen», sagt Karin Vey. Entziehen könnten wir uns ihnen nicht. «Letztlich leben wir in einer digitalen Welt. Wir sind ein Teil davon und können uns nicht ausklinken.»

Hier geht es zu den Impressionen unseres Events «Unsere Zukunft ist digital – Was geht ab?

Bildnachweis: Wortbild von Karin Holenstein zum Vortrag über die Künstliche Intelligenz

Von |2018-03-08T16:57:54+01:0019. Januar 2018|Frauen, Politik|0 Kommentare

Teile diesen Beitrag auf deinem Netzwerk!

Nach oben