Turnen mit dem Roboter

  • Roboter Nao

Wir werden immer älter. Deshalb nimmt die Zahl der Pflegebedürftigen zu. Doch bereits heute fehlen in der Pflege die Fachkräfte. Dieser Mangel wird sich in Zukunft verschärfen. Können Roboter die Lösung sein? Durchaus, meint Esther Ruf. Die Psychologin forscht am Interdisziplinären Kompetenzzentrum Alter der Fachhochschule St.Gallen. Sie will wissen, wie akzeptiert Roboter bei Menschen über 60 Jahren sind.

Andrea Sterchi

Ein Roboter bringt ein Getränk oder hebt uns vom Bett in den Rollstuhl. Die Roboterrobe Paro schliessen wir schnell ins Herz und von Nao lassen wir uns gerne zum Turnen animieren. Aber wie sieht es aus, wenn ein Roboter uns wäscht? Geht es um die tatsächliche Pflege am Menschen, dann sinkt die Akzeptanz des Roboters – bei Pflegefachkräften und Pflegebedürftigen.

Positive Grundeinstellung

«Die Grundeinstellung gegenüber Robotern ist bei Menschen 60+ eher positiv. In der Pflegsituation jedoch überwiegen die negativen Emotionen», sagt Esther Ruf am Frauennetz-Themenabend «Digitalisierung und Alter – die intelligenten Pflegehelfer von morgen?». Das hat eine Studie zur Akzeptanz von Robotern des Interdisziplinären Kompetenzzentrums Alter (IKOA-FHS) der Fachhochschule St.Gallen ergeben. 69% der Befragten können sich den Einsatz von Robotern im Alters- oder Pflegeheim vorstellen, 81% in der eigenen Wohnung. Pflegefachkräfte wünschen sich Roboter als Unterstützung bei täglichen Routinearbeiten, nicht aber bei der Pflege. Die Roboter sollen ihnen mehr Zeit verschaffen. Zeit, die sie sich dann für die Pflegebedürftigen nehmen können.

Immer mehr 100-Jährige

Wieso forscht das IKOA überhaupt über den Einsatz von technischen Lösungen? Und wo stehen wir heute? Der Grund ist der demografische Wandel. 2050 wird ein Drittel der Menschen über 65 Jahre alt sein. Die Hochaltrigkeit nimmt zu. «Die am stärksten wachsende Bevölkerungsgruppe sind die über 100-Jährigen», sagt Esther Ruf. Demgegenüber steigt der Fachkräftemangel bis 2030 um 36%. Gleichzeitig nimmt die Anzahl der pflegenden Angehörigen ab.

Lernen von Japan

Können wir die hohe Lebensqualität trotz dieser Herausforderung langfristig mit technischen Lösungen sicherstellen? Hinweise liefert der Blick nach Japan. «Japan hat heute die Probleme, die wir in 30 Jahren haben werden», sagt Esther Ruf. Die Politik unterstützt dort Technik und Robotik massiv. 8% der Heime in Japan setzen Hebe- und Trageroboter ein. Trotzdem sind auch in Japan, wo die Bevölkerung offen für technische Lösungen ist, viele Menschen kritisch gegenüber Robotern eingestellt.

Lieber menschenähnlich als eine Maschine

Wie muss ein Roboter aussehen? Was muss er können? Das wollte die Wissenschaftlerin in der Studie ebenfalls wissen. Die Mehrheit der Befragten (44%) bevorzugen einen menschenähnlichen Roboter. Gut akzeptiert sind Tätigkeiten wie Hilfe rufen, zum Beispiel bei einem Sturz, oder das Erinnern an die Medikamente. Auch Bewegungsübungen können sich die Befragten mit einem Roboter vorstellen.

Ethische Bedenken

Alles in allem sind also ältere Menschen durchaus aufgeschlossen gegenüber technischen Lösungen. Allerdings: «Je näher die Tätigkeit des Roboters am eigenen Körper ist, desto mehr wird das abgelehnt», fasst Esther Ruf die Ergebnisse zusammen. Zudem gibt es auch ethische Bedenken. Die Mehrheit befürchtet, dass der menschliche Kontakt abnimmt oder Jobs verloren gehen. Bedenken äussert sie auch beim Umgang mit sensiblen Daten und der Privatsphäre.

Mensch-Maschine-BeziehungRoboter-Robbe Paro

Spannend für die Forscherin ist, was bei der Interaktion Mensch-Maschine passiert. So hat das IKOA den Einsatz der Roboter Robbe PARO in Altersheimen untersucht. Dabei wollten die Forschenden wissen, wie die Robbe dazu beiträgt, das Wohlbefinden zu verbessern und das Gefühl der Einsamkeit zu mindern. Es zeigte sich, dass tatsächlich eine Beziehung aufgebaut wird. «Es kam gar zur Situation, in der jemand PARO nicht mehr hergeben wollte», erzählt Esther Ruf. Demnächst erprobt das IKOA wieder einen Roboter. Nao wird ab Juni 2019 Seniorinnen und Senioren  zum Turnen animieren und die Gymnastikübungen auch anleiten.

 

Grenzen für den Einsatz von Robotern

Noch ist der Einsatz von Robotern in der Pflege begrenzt. Zum einen weil ihre Entwicklung teuer ist. Aber auch, weil viele Sicherheitsfragen nicht geklärt sind. Zum anderen scheitern Roboter oft an komplexen Aufgaben, selbst Schwellen können zu unüberwindbaren Hindernis werden. So mögen Roboter im Pflegeheim Schwalbe in Gossau noch kaum ein Thema sein. Trotzdem stünden sie bereits mitten in der Digitalisierung, sagt Ursina Girsberger, Geschäftsleiterin Sana Fürstenland. «Wir müssen deshalb offen sein für neue Technologien.» Mit einem guten IT-System lasse sich Zeit gewinnen. Im Medikamenten-Management oder bei der Überwachung der Vitalwerte brächten sie ebenfalls Vorteile. Das gilt auch für Rufanlagen oder GPS-Systeme, mit denen man Bewohnende orten kann. «Als Betrieb müssen wir uns aber mit ethischen Fragen auseinander setzen. Was gewichten wir höher: die Autonomie oder die Sicherheit?» Es gelte sorgfältig abzuwägen, welchen Weg man schliesslich wähle.

Bilder: Interdisziplinäres Kompetenzzentrum Alter IKOA-FHS der Fachhochschule St.Gallen.

Mehr Bilder gibt es unter Impressionen.

Von |2019-06-12T20:43:16+02:0025. Mai 2019|Digital, Events, Frauen|0 Kommentare

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