Der Reiz des Gamens

  • Guido Berger

Neue Welten entdecken, Macht erleben, belohnt werden: Je nach Genre bedienen digitale Spiele ganz unterschiedliche Emotionen. Das macht sie zu einer wichtigen Kulturform. Eine, die Umsätze in Milliardenhöhe generiert. An den wichtigsten E-Sport-Turnieren winken dem Siegerteam schon mal mehrere Millionen an Preisgeldern. Die Karriere des E-Sportlers, der E-Sportlerin ist jedoch Mitte Zwanzig bereits zu Ende.

Spielst du? Mit der Konsole, auf dem PC oder dem Smartphone? Wenn ja, gehörst du zu den 41% der Schweizerinnen und Schweizer mit Internetzugang zwischen 16 und 64 Jahren, die regelmässig gamen. Dabei sind die Frauen den Männern mit einem Anteil von 44% gegenüber 56% ziemlich dicht auf den Fersen. Auch der Altersdurchschnitt ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. «Das Klischee vom blassen, dicklichen Jugendlichen, der alleine im Keller spielt, stimmt längst nicht mehr», sagt Guido Berger. Der Leiter der SRF Digital-Redaktion führte die anwesenden Frauen am Themenabend «Heute das Morgen verstehen» des Frauennetzes Gossau mit seiner sympathischen und erfrischend entspannten Art anschaulich in die Welt der digitalen Spiele ein.

Von der eigenen Coach aus Neues entdecken

Was macht den Reiz dieses Mediums aus? Es befriedigt Emotionen. Zum einen unsere Neugierde. Wir können neue, andere Welten entdecken, wir erkunden diese, ohne dabei unsere heimatliche Couch verlassen zu müssen. Auf einer virtuellen Reise sozusagen. Im Game «No Man’s Sky» beispielsweise können wir im Universum unendlich viele Planeten anfliegen und erforschen. «Die Planeten werden nicht von den Entwicklern geschaffen, sondern von Algorithmen», sag Guido Berger. Sein Fazit zum Spiel bei SRF Digital: grossartig trotz einiger Schwächen.

«Der Adrenalinspiegel steigt, wenn wir kompetitiv spielen.»

In strategischen Spielen müssen wir zuerst die Regeln entdecken, da sie uns niemand erklärt. Und in wieder anderen Spielen ergründen wir eine Geschichte. Wir müssen ihre Teile finden und zusammensetzen. «Ähnlich wie in einem Buch, nur das es hier ein aktiver Vorgang ist», erklärt Guido Berger.

Adrenalinkick im Wettbewerb

Zum anderen erleben wir in Games Macht, Kompetenz und Kooperation. Typischerweise in Schiess-Spielen. Machtvoll fühlen wir uns vor allem dort, wo wir etwas kaputt schlagen müssen. Je öfter wir spielen, desto besser werden wir. Wir eignen uns neue Kompetenzen an, das ist durchaus reizvoll. Auch werden solche Spiele oft im Team gespielt, so wie wir es beim Mannschaftssport kennen. So wie «Overwatch». Hier wählt man zwischen verschiedenen Helden mit unterschiedlichen Fähigkeiten einen aus. Dann tritt man immer zu sechst gegen ein anderes Team an. «Der Adrenalinspiegel steigt, wenn wir kompetitiv spielen», sagt Guido Berger.

Belohnungen nachjagen

Wieder ein anderes Spielgenre funktioniert nach dem klassischen Belohnungssystem. Sobald wir bestimmte Aufgaben erledigt haben, erhalten wir eine Belohnung. Dazu zählt etwa «Pokémon Go», das vor zwei Jahren einen Hype ausgelöst hat. Gespielt wird es auf dem Smartphone mit dem Ziel, verschiedene Pokémon zu finden – zu Fuss in der unmittelbaren Umgebung. «Belohnungen sind ein starker Trieb. Anders als im wirklichen Leben, in dem wir trotz unserer Anstrengungen manchmal nichts erhalten, werden wir im Game immer belohnt», sagt Guido Berger.

E-Sports: Mit Gamen Geld verdienen

Längst ist Gamen mehr als ein brotloser Zeitvertreib. Heute treten Profi-Gamer an E-Sport-Turnieren oder Events an. Wer gewinnt, sichert sich ein ordentliches Preisgeld. Am diesjährigen «Dota 2 The International»-Turnier winken über 25 Millionen Dollar. Das verwundert wenig. Mit E-Sport lässt sich gut Geld verdienen. 700 Millionen US Dollar setzte die Branche 2017 um. Rund 200 Millionen Fans verfolgen regelmässig E-Sport, Tendenz stark steigend. Sie sind nicht nur, live oder online, bei den Events dabei, sondern schauen den Gamern auch beim Training über die Schulter.

Erste Schweizer E-Sport-Liga

Gespielt wird in verschiedenen Disziplinen von Fussball- (Fifa) über Schiess- (Counterstrike oder Overwatch) bis zu Strategiespielen (League of Legends). Und das sowohl on- als auch offline. Weltweit gibt es mehrere offizielle E-Sport-Ligen. Seit Anfang Jahr hat auch die Schweiz ihre eigene Liga. «Die Ligen sind für die Entwicklung des E-Sports wichtig. Ohne sie ist es schwierig, die Fans zu halten», sagt Guido Berger. Immer interessanter wird der E-Sport für Werbetreibende. Das Finale von «League of Legends» letztes Jahr in Peking verfolgten 80000 Fans vor Ort und 40 Millionen im Stream. Nirgendwo sonst erreichen Werbetreibende so viele Personen aus der Zielgruppe männlich zwischen Teenager und Mitte 30 auf einen Schlag.

Teenager dank schnellerer Reaktion im Vorteil

Es wird sich zeigen, ob E-Sports das Zeug hat, eine globale Sportart zu werden. «E-Sport ist sehr fragmentiert. Wer Fifa spielt und schaut, interessiert sich nicht zwingend auch für «League of Legends». Das erschwert es für Sponsoren», sagt Guido Berger. Ebenfalls unklar ist, ob sich E-Sport als Mainstream-Sportart durchsetzen wird. «E-Sport ist recht komplex. Wirklich verstanden wird er nur, wenn man ein gewisses Knowhow hat.»

«Die Gefährlichkeit von Games mit Gewaltinhalten konnte nie nachgewiesen werden.»

Letztlich endet auch die Karriere als Profigamer bereits mit Mitte 20. Dann, wenn die Reaktion nachzulassen beginnt. «Ist schnelles Reagieren gefragt ist, sind Teenager klar im Vorteil», sagt Guido Berger. Selbst er, der viel spiele, komme da nicht mehr mit. Immerhin: E-Sport soll olympisch werden. Sind die Verhandlungen erfolgreich, werden 2024 Gamer an den Sommerspielen in Paris gegeneinander antreten.

Die Debatte um Killerspiele hat sich abgekühlt

Gamen und einzelne Games sorgen immer wieder für Schlagzeilen. Ego-Shooter-Spiele beispielsweise kamen bald als «Killerspiele» in Verruf. Sie führten bei den Jugendlichen zur Verrohung und förderten die Gewaltbereitschaft, argumentieren die Gegner. «Diese Debatte ist mittlerweile vorbei. Die Gefährlichkeit von Games mit Gewaltinhalten konnte nämlich nie nachgewiesen werden», sagt Guido Berger. Seit mehr als zwei Jahrzenten würden hunderte von Millionen Spielerinnen und Spieler Games spielen, die Gewalt und vor allem auch die Jugendgewalt habe in dieser Zeit in den Industrieländern aber stetig abgenommen. Heute sorge man sich um Smartphone-Zombies, Hass und Mobbing auf sozialen Medien, schreibt Guido Berger auf SRF Digital.

Doping, Wettbetrug und Spielsucht

Dass Gamen Schattenseiten hat, verneint Guido Berger nicht. Da ist zum Beispiel das Doping. Gamen an Turnieren ist sowohl körperlich als auch mental anstrengend, da helfen Profigamer auch schon mal mit Psychopharmaka nach. «Ein Verband, der das Dopingproblem angeht, gibt es nicht», sagt Guido Berger. Ein anderes Problem sind die Wetten. «Hier ist viel mehr Geld im Spiel als bei den Preisgeldern. Man geht davon aus, dass der Umsatz beim Wetten jetzt schon höher ist. Der Wettbetrug ist einfach und verführerisch.»

«Liebe Eltern, schaut nicht zu, spielt selber.»

Und wie steht es mit der Spielsucht? Verstehe man diese als eine Verhaltungsstörung unabhängig von der Substanz, dann bestehe tatsächlich Suchtgefahr, sagt Guido Berger. Die WHO hat erst diesen Sommer die Sucht nach Computerspielen (Gaming Disorder) offiziell als Krankheit anerkannt.

Gamen als Herausforderung für Eltern

Was bedeutet das für uns Eltern? Guido Berger rät zu mehr Gelassenheit beim Thema Gamen. «Es ist ein Teil der Jugendkultur. Auf dem Pausenplatz wird darüber gesprochen. Daran kommt man nicht vorbei.» Viele Jugendliche würden nur gamen, um zu spielen und sich die Zeit zu vertreiben. «Manchmal möchten sie halt eben nichts Gescheites mit ihrer Zeit anfangen», sagt er. Dass die Jugend generell gefährdet ist, glaubt er nicht. Dagegen spräche schon allein, dass, obwohl die Zahl der Spielerinnen und Spieler steige, die Jugendgewalt sinke. Sein Rat an die Eltern: «Schaut nicht nur zu, spielt selber. Nur dann, könnt ihr die Risiken für eure Kinder abschätzen und so ihren Geschmack steuern.»

Und du? Spielst du schon? Wenn nicht, dann lass dich von der SRF-Digital-Redaktion dazu verführen. Hier findest du ihre «Let’s Play» und Review-Videos zu aktuellen Games: www.youtube.com/srfdigital

Von |2018-08-29T09:02:46+02:0028. April 2018|Digital, Events, Wirtschaft|0 Kommentare

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